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      Gibt es den per­fek­ten Mord?
      Bei­na­he sah es so aus, als ein neu­er Fall dem Frank­fur­ter Kom­mis­sa­rin­nen­duo Dia­na und der fran­zö­sich­stäm­mi­gen Mar­guax auf den Schreib­tisch flat­tert. Eine schwie­ri­ge und zeit­rau­ben­de Ermitt­lungs­ar­beit beginnt, bei der die bei­den ihr jewei­li­ges Kön­nen unter Beweis stel­len können.

      Gebun­de­ne Aus­ga­be 332 Seiten

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      Teil 1: Frankfurt 2019

      Kapitel 1

          Nachdem sie die Wohnungstür hinter sich geschlossen hatte, schaute sie auf die Uhr, die am Ende des Flurs hing. Eine Anschaffung, gegen die sich Frieder anfangs gewehrt hatte. Doch sie hatte sich gegen seinen Widerstand durchgesetzt; sie fand die Uhr einfach stylish, wobei sie nicht einmal hätte sagen können, was sie damit meinte. Es war ihr zum Ritual geworden als erstes beim Betreten der Wohnung auf die Uhr zu schauen.

         Kurz vor zwölf zeigte sie. Es war mal wieder spät geworden, sie war nach dem Capoeiratraining, einer brasilianischen Kampfsportart mit einer Mischung aus Kampf, Tanz und Akrobatik, mit ihrer Freundin Tamara zum nahegelegenen Blue Sea gegangen, der angesagtesten Cocktailbar in der Stadt. Und selbstverständlich stylish. Sie war – eigentlich wie immer – später als beabsichtigt nach Hause geradelt. Es war ein Abend wie schon etliche zuvor. Erst die körperliche Verausgabung, anschließend der obligatorische Caipirinha. Den zweiten hatte sie – wie immer – abgelehnt, sonst komme ich zwar von rechts auf’s Fahrrad rauf, bin aber gleich wieder links unten. Der Alkohol war auch nicht das Entscheidende an diesem Ausklingritual nach den verausgabenden und schweißtreibenden Übungen. Mit Tamara ließ es sich ausgezeichnet tratschen, schamlos über Leute herziehen, lauthals lachen und sich einfach nur — beflügelt durch den Cocktail – wohl und mit sich eins fühlen.

         An diesem Abend war herrliches Wetter, die Sonne hatte tagsüber das Thermometer auf fast 30 Grad gebracht. Sie legte den Rucksack mit den Sportklamotten in den Korb auf dem Gepäckträger. Wie immer war es eine arge Fummelei, den Schlüssel in das Sicherheitsschloss zu stecken, drei bis vier Versuche mussten es mindestens sein. Die Dunkelheit machte es nicht gerade leichter. Als sie sich wieder aufrichtete, nahm sie aus den Augenwinkeln eine Bewegung nahe den Büschen wahr, ein huschender, hinwegeilender Schatten im fahlen Licht der Bar. Hatte sich da jemand an ihrem Fahrrad zu schaffen gemacht? Das hatte sich schon mehrmals zugetragen, jedes Mal hatte sie einen potenziellen Dieb noch rechtzeitig verscheuchen können. Das Fahrrad war eine sehr teure Anschaffung gewesen und deshalb musste es aus Versicherungsgründen auch ein besonderes Sicherheitsschloss sein, damit es überhaupt gegen Diebstahl versicherbar war. Wenn sie schon ein so teures Rad kaufen würde, dann würde ihr doch auch ein gutes Schloss nicht zu teuer sein, hatte der Fahrradhändler ihr eindringlich nahegelegt.

         Aber vielleicht hatte sie sich auch getäuscht und der hinweghuschende Schatten war nur die durch einen Windzug ausgelöste Bewegung in einem Busch. Manchmal sehe ich halte Gespenster, beruhigte sie sich, was ein Caipirinha so alles anrichten kann. Die Abendwärme tat gut, und weil es vom Blue Sea zu ihrer Wohnung oft bergab ging, ließ Helena ihr Rad laufen und genoss die warme Luft auf ihrer Haut.

         Sie stellte das Rad im Hof in einem Fahrradschuppen ab und eilte die Treppe zur Wohnung hinauf.

         Jetzt nur noch einen kleinen Gute-Nacht-Drink und danach ins Bett, sie war rechtschaffen müde.

         Sie holte sich ein Glas aus dem Schrank im Wohnzimmer. Sie wunderte sich, weil ein Lichtschimmer aus der Küche zu bemerken war. Die Kühlschranktür stand leicht offen und die Birne leuchtete. Sie wunderte sich, weil sie doch sehr darauf achtete, dass dies nicht vorkam. Frieder war nicht da, ihm konnte sie also diese kleine Unachtsamkeit nicht anlasten. Nun ja, sie musste es wohl selber gewesen sein. Sie griff nach der Martiniflasche in der Kühlschranktür. Schön kühl war die Flasche dennoch, genau die richtige Temperatur für den kleinen allabendlichen Genuss vor dem Gang zum Bett. Sie stellte das Glas auf den Küchentisch, öffnete den Flaschenverschluss und goss sich den Martini ein. Seltsam, dass das Glas noch nicht einmal zwei Fingerbreit gefüllt war. War gestern die Flasche nicht noch zu einem Drittel voll? Sei’s drum, dachte sie. Eine zweite Flasche habe ich nicht da.

         Sie ergriff das Glas, ging ins Wohnzimmer, löschte das Licht, setzte sich auf die Couch und starrte den Mond an. Erst netzte sie nur die Lippen mit dem Getränk und genoss das langsame Ausbreiten eines Hauchs von Vanille und aromatischen Kräutern.

         Erst danach gestattete sie sich einen größeren Schluck. Sie liebte Rituale und vor allem deren Einhaltung. Leider war das Getränk nach drei Schlucken leer. Sie stelle es auf dem Couchtisch ab, lehnte sich zurück, schloss die Augen und hing ihren Gedanken nach.

         Sie musste eingeschlafen sein. Ein Geräusch hatte sie aufschrecken lassen. Ein Fenster oder eine Tür, das der Wind zugeschlagen hatte?

         Sie fühlte sich todmüde, hatte Schwierigkeiten aufzustehen. Der Weg ins Schlafzimmer kam ihr so schwer vor. Sie schaffte es noch, sich zu entkleiden, ihr Nachthemd anzuziehen und sich auf das Bett sinken zu lassen.

         Trotz der Mühe hatte sie es sich schön bequem gemacht, die Bettdecke ganz über sich gezogen, nur der Kopf schaute noch heraus. Da sie rasch auch bei wärmeren Temperaturen fror, fuhr sie noch einmal mit dem Arm heraus und klopfte die Decke ringsum fest an ihren Körper, schob sie hie und da sogar darunter, so dass kein Lüftchen ihren wohlverdienten Schlaf stören konnte. Ihren Kopf hatte sie ins Kopfkissen gebettet, das so herrlich nach Lavendel roch und sie war im Nu eingeschlafen.

         Mitten in der Nacht schreckte sie auf. Die Decke war auf einer Seite hochgerutscht, die kalte Luft im Schlafzimmer war ihr unangenehm und sie zog sie unmutig wieder herunter, weil eine doch eigentlich so lächerliche Unannehmlichkeit sie geweckt hatte.

         Doch das seltsame Gefühl auf ihrer Hüfte blieb. Irgendetwas hatte ihre Haut gereizt. Sie kratzte sich an dieser Stelle, doch die Irritation ließ nicht nach, sondern verstärkte sich und wurde eindeutig zu einer schmerzhaften Stelle. Sie wunderte sich zunächst, vielleicht hatte etwas sie gestochen, eine Biene oder Wespe vermutlich.

         Doch jetzt wurde dieser Schmerz stärker. Sie sah sich gezwungen aufzustehen und eine Schmerztablette zu sich zu nehmen. Sie schaltete die Nachttischlampe ein und wunderte sich, dass die Tür offenstand. Sie war sich sicher, dass sie sie vor dem Einschlafen geschlossen hatte. Das gehörte zu ihrem Einschlafritual, dem sie besonders ungestört frönen konnte, wenn Frieder weg war. Sie schloss gleichsam die Welt um sich herum aus, jegliches Geräusch, jedwede Stimmen und machte das Schlafzimmer zu einem Kokon, in den sie sich sicher und selig einspinnen konnte. Dieses Mal war Frieder auf einem Biologenkongress und konnte sie nicht mit seinen Kommentaren, dass die Welt trotz allem weiterhin existiere und am nächsten Tag wieder auf sie warten würde, nerven.

         Als sie sich aufsetzte, überkam sie ein Drehschwindel, der sie immer überkam, wenn sie sich zu schnell aufgerichtet hatte. Doch dieses Mal schien er ihr wesentlich stärker. Sie wartete, bis dieser vorüber war. Sie nahm im dünnen Schein der Nachttischlampe den schmerzhaften Hautbereich in Augenschein. Doch außer einer Rötung konnte sie nichts entdecken. Danach ging sie ins Badezimmer. Sie konnte kaum das Gleichgewicht halten, so benommen war sie. Ständig rieb sie die schmerzende Stelle, doch jede Berührung schien den Schmerz zu verstärken. Sie nahm eine ganze 800er Ipuprofen und schluckte sie mit etwas Wasser aus dem Zahnbecher hinunter. Immer noch benommen ging sie zurück, bettete sich wieder ihrem Ritual entsprechend und wartete darauf, dass sowohl der Schmerz nachließ als auch, dass der Schlaf sie übermannte.

         Sie grübelte im Halbschlaf. Wieso war die Tür offen gewesen? Frieder, der sie oft wieder öffnete, vor allem wenn er spät nach Haus kam und sie schlafend vorgefunden hatte, war nicht da, er war vor zwei Tagen nach Gießen gefahren. Und sie hatte sie geschlossen, dessen war sie sich absolut sicher.

         Weshalb war sie eigentlich aufgewacht? Und hatte sie nicht im Aufwachen ein leises klirrendes Geräusch gehört? Oder war das nur ein Nachklang ihres Traums gewesen, an den sie sich allerdings nicht erinnern konnte.

         Drei Stunden später wurde sie erneut wach. Sie war geplagt von einer großen Übelkeit. Sie musste erbrechen, behielt jedoch trotz des unangenehmen sauren Geschmacks ihren nach oben drängenden Mageninhalt bei sich und stand unter größten Mühen auf. Sie konnte nur durch den ihr endlos lang vorkommenden Flur kriechen. Bei jedem Versuch sich aufzurichten wurde ihr wieder schwindlig und sie sackte zu Boden. Endlich hatte sie die Toilette erreicht und konnte sich über die Toilettenschüssel beugen. Sie musste die Schüssel fast wie in einer Umarmung umklammern, damit sie nicht umfiel.

         Sie kotzte und hustete, sie hustete und kotzte, trotz aller Qual kam ihr die Redewendung sich die Seele aus dem Leib kotzen in den Sinn. Und trotz der überaus misslichen Lage dachte sie, dass der Spruch in sich die Innereien aus dem Leib kotzen geändert werden müsse. Als sie sich vollständig entleert hatte, überkam sie jedoch nicht die ersehnte Erleichterung. Ihr war weiterhin übel wie schon lange nicht mehr in ihrem Leben. Sie rang mit sich, ob sie den Notarzt anrufen sollte. Doch sie fühlte sich zu schwach, um jetzt noch ins Wohnzimmer zu kriechen. Sie versuchte sich zu beruhigen, vielleicht war irgendwas im Caipirinha gewesen, doch sie hielt das für unwahrscheinlich.

         Ein Caipirinha und ein kleiner Martini resümierte sie wie das sprichwörtliche Elend vor der Toilette hockend. Das kann nicht sein, dass mich das so umhaut. Irgendetwas stimmt nicht mit mir, irgendetwas stimmt total nicht mit mir.

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